Recht auf Teilhabe:
Ein Wegweiser zu allen wichtigen sozialen Leistungen für Menschen mit Behinderung

Der bewährte Teilhabe-Ratgeber der Lebenshilfe erscheint 2023 in aktualisierter Auflage und bietet einen umfassenden Überblick über Rechte und Sozialleistungen, die Menschen mit geistiger Behinderung zustehen. Eltern, Geschwister und andere Angehörige, Beratungsstellen sowie rechtliche Betreuer*innen finden im Recht auf Teilhabe alle wichtigen Informationen, damit sie Menschen mit geistiger Behinderung bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen können.

18 werden mit Behinderung

Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm) hat seinen Ratgeber "18 werden mit Behinderung" überarbeitet. Der kostenlose Ratgeber berücksichtigt den aktuellen Rechtsstand von Januar 2019 und gibt einen Überblick darüber, welche Rechte und Pflichten behinderte Menschen mit Erreichen der Volljährigkeit haben. Ein besonderes Augenmerk wird ferner bereits jetzt auf wichtige Änderungen gerichtet, die sich durch das BTHG zum 1. Januar 2020 ergeben werden. Ab diesem Zeitpunkt werden die Einkommens- und Vermögensgrenzen für Leistungen der Eingliederungshilfe deutlich angehoben und bei den stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung kommt es zu einem grundlegenden Systemwechsel.

Mehr Wahlfreiheit für Werkstattberechtigte
Ein Statement von 53° Nord

Mehr Wahlfreiheit für Werkstattberechtigte, das ist das Versprechen, das der Reform des Werkstättenrechts im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes zugrunde lag und das im neuen § 62 des SGB IX explizit verankert ist. Umstritten waren "andere Leistungsanbieter" von Anfang an. Insbesondere aus den Reihen der Werkstätten gab es heftige Kritik. "Unlauterer Wettbewerb", so lautete der Vorwurf. Für die neuen Marktteilnehmer würden Vorgaben aufgeweicht, die für Werkstätten seit über 40 Jahren gegolten hätten und weiter gälten. Sie benötigten keine förmliche Anerkennung, unterlägen keiner Mindestplatzzahl, keinen Standards für die räumliche und sächliche Ausstattung, keiner Aufnahmeverpflichtung. Zumindest die Kriterien der Werkstättenverordnung, so die Forderung, müssten die anderen Leistungsanbieter einhalten, ebenso das Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit, das die berufliche Bildung regelt, sowie die Verpflichtung, sich nach der AZAV zertifizieren zu lassen.

Auch der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger, Matthias Münning, hat sich mit deutlicher Kritik an den neuen gesetzlichen Regelungen zu Wort gemeldet. Auf der Jahrestagung der BAG Integrationsfirmen im letzten November hat er in seinem Redebeitrag klar gegen das seiner Ansicht nach verfehlte Konzept der anderen Leistungsanbieter Stellung bezogen. Münning: Werkstätten und andere Anbieter bieten keine "echte Arbeit" Allerdings geht diese Kritik nicht in Richtung einer unfairen Konkurrenz zu den Werkstätten, sein Ausgangspunkt ist die UN-Behindertenrechtskonvention und ihre Forderung nach "echter Arbeit".

Für ihn ist die neue Möglichkeit nur eine Ausweitung des verfehlten Status Quo. Münning auf der Tagung: "Arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnisse entsprechen nicht dem Ziel der UNBRK in Artikel 27. Dort heißt es, dass die Vertragsstaaten das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit anerkennen und dieses Recht die Möglichkeit beinhaltet, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen." Und: "Andere Anbieter sind daher allenfalls ein aliud (Juristendeutsch für eine nicht vereinbarungsgemäße Ersatzleistung) zur Werkstatt. Echte Arbeit bieten sie nicht."

Erwerbsunfähigkeit ist nichts Absolutes

Münning sieht arbeitnehmerähnlicher Rechtsverhältnisse offenbar als Irrweg bei der Gewährung von Leistungen, die ihren Ausgangspunkt in der juristischen Unterscheidung zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Personen haben. Er führt aus: "Für mich ist das eine Frage des Menschenbildes. Ich halte es für falsch, Menschen in Schubladen zu stecken, sie zu etikettieren und abzustempeln. Viele Menschen, die in Werkstätten sind, könnten bei richtiger Förderung und richtiger Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Der Satz: ‚Wir haben die Erwerbsunfähigkeit festgestellt, also ist der Mensch auch erwerbsunfähig’, dieser Satz stimmt nicht. Im Grunde geht es darum, einen gesetzlichen Tatbestand zu schaffen für Personen, die unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit der richtigen Unterstützung arbeiten können."

Was es zur Integration braucht, ist schon lange bekannt Der BAGüS-Vorsitzende setzt sich damit für eine grundlegende Reform des Rechts auf berufliche Teilhabe ein, die nicht auf einer binären Unterteilung in erwerbsfähig und erwerbsunfähig basiert, sondern auf dem individuellen Bedarf der Person, und die den Zugang zum Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt der Hilfen stellt. "Alle Fachleute wissen, welche Bausteine dafür erforderlich sind", sagt er. "Es bedarf eines dauerhaften Minderleistungsausgleichs, weil die Menschen dauerhafte Unterstützungsbedarfe haben. Und es bedarf einer sozialen Eingliederung in den Betrieb. Diese erfordert sowohl professionelles Tun sowie eine Haltung des Unternehmers."

Werkstätten sind (auch) ein Instrument zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit Gegenüber dem Gesetzgeber erhebt er den Vorwurf, die Funktion der Werkstätten als Instrument der Arbeitsmarktbereinigung nicht zur Kenntnis zu nehmen: "Der Gesetzgeber hätte gut daran getan, zunächst die Lage zu analysieren. Er hätte dabei festgestellt, dass die Werkstattdichte in Deutschland extrem unterschiedlich ist. Sie lag im Bezirk Oberbayern (einschließlich der Tagesförderstätten) im Jahre 2015 bei 3,5 pro 1.000 Einwohner und in Mecklenburg-Vorpommern bei 9,1 pro 1.000 Einwohner. Es ist offenbar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Werkstattdichte und der wirtschaftlichen Situation. Werkstätten sind also auch ein Arbeitsmarktinstrument und nicht etwa allein vom Bedarf der Menschen mit Behinderungen abhängig."

Keine Ausweitung der
arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisse


Aus diesem Plädoyer für eine Neujustierung der beruflichen Eingliederungshilfe auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonferenz leitet Münning seine Position zum neuen gesetzlichen Anspruch auf die Beschäftigung bei andern Anbietern ab: "Ob andere Anbieter tatsächlich bessere Übergänge herstellen oder lediglich ein neues Sondersystem schaffen, bleibt abzuwarten. Ich lege die UN-Konvention jedenfalls dahingehend aus, dass sie mich auf das Ziel verpflichtet, die Zahl der arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisse nicht weiter zu steigern. Zudem halte ich es für fachlich geboten, bei solchen Konzepten nachzuweisen, wie das Ziel der UN-Konvention realisiert werden soll."

Ob diese Haltung die Position der gesamten BAGüS widerspiegelt, bleibt abzuwarten. Sie dürfte in jedem Fall die des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe beschreiben, dessen Sozialdezernent Münning ist. Aus dieser Aussage lässt sich die Absicht ableiten, mit den Zulassungen für andere Leistungsanbieter restriktiv umzugehen und Wahlfreiheit mit den Mitteln des Vertragsrechts zu beschränken. Münning befürchtet offenbar, dass das erweiterte Angebot die Nachfrage weiter beflügelt und aus den Kassen der Leistungsträger noch mehr Geld in die als falsche Wahl gesehene "arbeitnehmerrechtsähnliche Beschäftigung" fließen muss.

Ein Grundproblem der WfbM:
Der Zwang zur Einheitlichkeit


Hat Matthias Münning Recht mit seiner Sichtweise oder ist dies der − rechtlich zweifelhafte − Versuch, einen im Gesetz verankerten Anspruch mit den Mitteln der Verwaltung auszuhebeln? Schaut man in die Begründung des BMAS für die Neuzulassung anderer Anbieter, dann findet man eine offenbar neue Erkenntnisse. In den zum Jahresbeginn veröffentlichten Fragen und Antworten zum Bundesteilhabegesetz stellt es unter Punkt 24 die Frage "Worin bestanden Schwierigkeiten für Menschen in Werkstätten?" Die Antwort lautet: "Bisher wurde das Beschäftigungsangebot auf anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) konzentriert. Es trägt dem heterogenen Personenkreis der Leistungsberechtigten aber nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Insbesondere Menschen mit psychischen Behinderungen fühlten sich in Werkstätten für behinderte Menschen oft fehlplatziert, hatten aber oftmals keine anderen Möglichkeiten, am Arbeitsleben teilzuhaben." Mit anderen Worten: Die Konstruktion der WfbM erlaubt nicht genügend Vielfalt, um den Bedürfnissen unterschiedlicher Leistungsberechtigter gerecht zu werden.

Auch wenn Werkstätten und Kritiker wie Matthias Münning die neue Gestaltungsfreiheit als "Dasselbe in Grün" abqualifizieren, bietet die Abkehr vom "Prinzip der Einheitlichkeit" die Chance auf neue und angemessenere Lösungen zur beruflichen Teilhabe. Werkstätten wird es weiterhin geben. In den verfügbaren Werkstattangeboten den Wettbewerb für mehr Vielfalt sorgen zu lassen, ist dabei durchaus im Sinne der Nutzer.

Die neue HEGA 2017-12:
Für den ambulanten BBB nicht geeignet


Neue, flexiblere und marktgerechtere Kleinwerkstätten sind nur die eine Zielrichtung der neuen Gesetzesvorschrift. Andere Anbieter sollen vor allem den Zugang zum Arbeitsmarkt verbreitern, indem sie "virtuelle Werkstattplätze" im Arbeitsmarkt schaffen. Wenn man weiß, wie zögerlich die Werkstätten diese Angebotsform bisher vorangetrieben haben, steckt darin für die Nutzer ebenfalls eine deutliche Verbesserung ihrer Wahlmöglichkeiten.

Schaut man jedoch auf die Ende des Jahres erlassene HEGA ("Handlungsempfehlungen / Geschäftsanweisungen") der Arbeitsagentur für "andere Leistungsanbieter", werden auch hier die bürokratischen Hürden − zumindest für den BBB − sehr hoch gelegt. Der Forderung der Werkstätten nach gleichen Standards folgend, hat sie die Anforderungen für die Berufsbildung in der klassischen, sprich stationären, Werkstatt auf die neuen Angebote übertragen und damit die gewünschte ambulant angelegte Berufsbildung erheblich erschwert. Die kleinteiligen Vorgaben des Fachkonzepts nimmt zwar formal die Vorgaben des neuen Gesetzes auf, beharrt aber auf den Festschreibungen der Werkstättenverordnung bezüglich Personal, baulicher und räumlicher Ausstattung sowie fachlicher Anforderungen für die Durchführung, sodass eine Umsetzung in ambulanter Form fast unmöglich gemacht wird. Nebenbei bemerkt verschließt sich die BA auch dem integrationsfördernden Teilhabeplanverfahren bzw. Gesamtplanverfahren und schreibt weiterhin den klassischen Fachausschuss vor − im Gegensatz zu den Vorgaben der BAGüS, die der neuen Form Priorität einräumt. Eine Abstimmung zwischen den Leistungsträgern hat es offenbar nicht gegeben.

Fazit: Der Weg zur Wahlfreiheit ist noch weit Theoretisch hat für alle, die berechtigt sind, in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten, am 1.1.2018 eine neue Zeitrechnung begonnen. Das neu gestaltete SGB IX schafft endlich auch für sie den Anspruch auf Wahlfreiheit. Aber ist die Wahlfreiheit damit schon Realität? Leider nein. Sie ist an zwei Bedingungen geknüpft:

  • Es muss sich in der Region ein Anbieter finden, der eine andere Leistung bereitstellen will
  • Dieser Anbieter muss vom Kostenträger eine Zulassung bekommen und mit ihm eine Leistungsvereinbarung abschließen.

Hohe Hürden bzw. eine restriktive Zulassungspolitik können aber potenzielle Leistungsanbieter abschrecken und damit verhindern, dass der prinzipielle Rechtsanspruch Wirklichkeit wird. Der unbefriedigende Status Quo bliebe bestehen.

Prinzipiell ist Matthias Münning zuzustimmen: Die Grundfragen einer zeitgemäßen Ausrichtung der beruflichen Teilhabe müssen weiterhin auf den Tisch, die Neuerungen des BTHG in dieser Frage waren nur ein kleiner, zaghafter Schritt, dem weitere folgen müssen. Dennoch war es ein Schritt in die richtige Richtung, und eine Blockadehaltung trifft die Leistungsberechtigten, denen gesetzlich garantierte Wahlmöglichkeiten vorenthalten werden. Für ihr Anliegen einer grundsätzlichen Neuregelung sollte die BAGüS andere Wege gehen und ihre Möglichkeiten zur Initiierung eines weitergehenden Gesetzgebungsverfahrens nutzen. Bezüglich der Vergabepraxis der BA bleibt zu hoffen, dass sie sich bei ambulant tätigen Anbietern von der hierfür nicht gemachten WVO löst und eine Praxis ermöglicht, die dem Geist der neuen Gesetzgebung entspricht. (Quelle)

Abgelehnte Grundsicherungsanträge: Musterwiderspruch empfohlen

Menschen ab 18 im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) hatten bis zum Juli 2017 einen Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch XII.

Zum 1.7.2017 ist nun jedoch eine Rechtsänderung in Kraft getreten, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) so auslegt, dass erst nach der Zeit in dem Eingangs- und Berufsbildungsbereich endgültig über die dauerhafte und volle Erwerbsminderung entschieden werden kann. Da aber nur dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen Anspruch auf die Leistungen der Grundsicherung haben, führt das meistens zur Ablehnung entsprechender Anträge.

Diese Rechtsauffassung, der sich die Sozialämter anschließen, hält die Bundesvereinigung Lebenshilfe für falsch. Sie stellt anheim, gegen die Ablehnung eines Antrags auf Grundsicherung Widerspruch einzulegen, und verweist auf den Muster-Widerspruch des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm).

Neue Mitwirkungsverordnung für WfB

Die Diakonie hat die Mitwirkungsverordnung für Werkstätten(DMWV) an das BTHG angepasst.

Betrieblich integrierte Arbeitsplätze:
Das Konzept Werkstatt nach Wunsch

Betriebsintegrierte Arbeitsplätze gewinnen in Werkstätten an Bedeutung. Eine Fachtagung von 53° Nord am 1. und 2. Juni 2016 in Kassel beleuchtete die Chancen und Probleme von Außenarbeitsplätzen, insbesondere von Arbeitsmöglichkeiten in Sozialeinrichtungen. Praktiker berichteten über Arbeitsplätze in Altenheimen und Kindergärten, in Krankenhäusern, Schulen, Jugendherbergen sowie in Behörden und Verwaltungen. Tenor: Soziale Einrichtungen bieten für Menschen mit Behinderung viele geeignete Tätigkeiten und tun sich besonders leicht mit der Akzeptanz ihrer Besonderheit. Mehr …

Supported Employment
(Unterstützte Beschäftigung):
Arbeiten trotz Erwerbsunfähigkeit

Wozu gibt es Werkstätten? Die Antwort lautet üblicherweise: Damit auch diejenigen arbeiten können, die wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben.

Entsprechend ist das Kriterium für die Aufnahme in eine WfbM die „Nichtvermittlungsfähigkeit aufgrund der besonderen Schwere der Behinderung“. Tatsächlich haben fast alle Werkstattbeschäftigten in einem üblichen Ausschreibungsverfahren keine Chance auf einen Arbeitsplatz. Dennoch ist die Gleichung: „Besonders schwer behindert = auf die Werkstatt angewiesen“ nur noch bedingt richtig. Tatsache ist: Ein Teil der Menschen mit einer „besonderen Schwere der Behinderung“ kann mit der richtigen Hilfestellung auch außerhalb der Werkstatt Arbeit finden. Bei der Vermittlung spielen Werkstätten eine entscheidende Rolle.

Seit den frühen 90er Jahren erprobten in Deutschland Fachdienste eine Methode, die in den USA damals schon sehr erfolgreich war: Das Supported Employment, zu Deutsch: Unterstützte Beschäftigung. Das Vorgehen wurde speziell für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung entwickelt, hat sich mittlerweile aber auch bei der Vermittlung anderer benachteiligter Gruppen des Arbeitsmarktes bewährt.

Die Methode bedient sich eines Dreifachtricks:

  • Unterstützte Beschäftigung umgeht das übliche Bewerbungsverfahren. Sie vermittelt behinderte Menschen sozusagen durch die Hintertür.
  • Sie kehrt unseren gängigen Qualifizierungsansatz um. Statt jemanden zunächst zu qualifizieren und ihm damit gute Chancen für das Bewerbungsverfahren zu verschaffen, sucht sie für die Teilnehmer zuerst einen Job und vermittelt die dafür erforderlichen Fähigkeiten anschließend vor Ort in der Echtsituation. Statt „erst qualifizieren, dann vermitteln“ also „erst vermitteln, dann qualifizieren“.
  • Sie vermittelt ihre Teilnehmer gar nicht auf bestehende Stellen, sondern erfindet neue Arbeitsplätze und gestaltet sie passgenau: Durch das Herauslösen von Tätigkeiten aus betrieblichen Abläufen und ihre Kombination mit weiteren Aufgaben. So entsteht ein neuer Arbeitsplatz, der auf die individuellen Fähigkeiten der Person zugeschnitten ist.

Diese Aufgaben trainiert der Arbeitsbegleiter mit dem Beschäftigten so lange, bis dieser sie beherrscht. Er entwickelt ggf. erforderliche Hilfen und leitet die Kollegen im Umgang mit dem neuen Mitarbeiter an. In der Regel findet sich auch jemand, der ihn als „Mentor“ oder „Pate“ unter seine Fittiche nimmt, das, was in der Werkstatt die Aufgabe des Gruppenleiters wäre. Veränderte Arbeitszeiten und eventuell auch Pausenregelungen tun ein Übriges. Meist entstehen so erstaunlich stabile Beschäftigungsverhältnisse, die auch Krisen oder Umstrukturierungen überdauern können.

Die „Fachdienste für betriebliche Integration“ helfen

In vielen Werkstätten hat das Vorgehen mittlerweile Fuß gefasst. Die Fachdienste für betriebliche Integration -  beim für BaWü zuständigen KVJS heißen sie Integrationsfachdienste - nutzen es in der Regel, um Beschäftigte auf Außenarbeitsplätze zu vermitteln. Wenn sich der Erfolg nicht recht einstellen will, sollte man sich die Bedingungen anschauen, unter denen die Kollegen arbeiten: Sind die Fachkräfte Einzelkämpfer, die diese Aufgabe vielleicht sogar neben anderen Tätigkeiten übernehmen? Ernsthaftigkeit und eine gute Motivation ist die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlung. Ein Vermittler muss von seiner Aufgabe überzeugt sein, nur dann kann er auch die Betriebe überzeugen. Arbeit im Team ist dabei auf Dauer sehr hilfreich.

  • Wird der Vermittlungsgedanke von der Leitung und den Kollegen getragen oder hat der Vermittelnde eher eine Feigenblattfunktion im Sinne von „Seht her, wir sind auch auf diesem Feld aktiv“? Die Grundhaltung einer WfbM spielt eine entscheidende Rolle. Vermittlungen können von der Leitung und den Kollegen befördert oder boykottiert werden.
  • Ist der Vermittler auf seine Aufgabe vorbereitet oder wird er ins kalte Wasser gestoßen und lernt über Versuch und Irrtum? Unterstütze Beschäftigung ist eine Methodik, die sich deutlich von der Gruppenleitertätigkeit in der Werkstatt unterscheidet und auf die auch eine Sozialarbeiterausbildung nicht vorbereitet. Wer von Anfang an erfolgreich sein will, sollte eine entsprechende Ausbildung absolvieren.

Speziell auf die Vermittlung aus der Werkstatt zugeschnitten ist eine neue Qualifizierung, die 53° Nord in diesem Jahr erstmals anbietet. Sie umfasst drei Blöcke á vier Tage und ein zweitägiges Abschlussmodul und bereitet auf alle wichtigen Themen der Vermittlung vor. Nähere Informationen finden Sie hier.

Mittendrin - auch im Alter: Lebenshilfe fordert
mehr Teilhabe für Senioren mit geistiger Behinderung

In den letzten Jahrzehnten gab es in Deutschland kaum alte Menschen mit geistiger Behinderung – schreckliche Nachwirkung der systematischen „Euthanasie“-Morde durch die Nationalsozialisten. Heute erreicht erstmals eine ganze Generation das Rentenalter. Zudem sorgt die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung auch für eine individuell höhere Lebenserwartung bei diesem Personenkreis: Frauen und Männer mit geistiger Behinderung in Deutschland werden so alt wie nie zuvor.

Wie kann umfassende Teilhabe für Seniorinnen und Senioren mit Behinderung gesichert und ausgebaut werden? Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat mit ihrer Veranstaltung am 17. und 18. September „Mittendrin – auch im Alter. Senioren mit geistiger Behinderung in der Gesellschaft" ein bundesweites Forum zum Thema angeboten. Dabei wurde auch das Positionspapier der Lebenshilfe „Mittendrin – auch im Alter! Senioren mit geistiger Behinderung in der Gesellschaft“ mit einer deutlichen Beschreibung des Handlungsbedarfs vorgestellt.

Gefordert werden darin:

  • flexible Arbeitszeitmodelle in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung für den Übergang ins Rentenalter,
  • eine Weiterentwicklung der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen für Senioren-Tagesangebote, damit diese „mittendrin“, bedarfsgerecht und vielfältig sein können,
  • die Möglichkeit, auch im Alter in der gewohnten Umgebung, z.B. im Wohnheim, bleiben zu können,
  • eine unabhängige, individuelle Beratung für die Gestaltung dieser neuen Lebensphase,
  • ein Leistungsrecht, das die Kombination von Eingliederungshilfe, Grundsicherung und Pflegeleistungen in vollem Umfang erlaubt.

„Wir brauchen eine Praxis der Leistungsgewährung, die Menschen mit Behinderung nicht diskriminiert, die eindeutig ist und die sich an den Teilhaberechten der UN-Behindertenrechtskonvention orientiert und ihr Wunsch- und Wahlrecht in den Mittelpunkt stellt“, so Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. „Dabei steht viel auf dem Spiel für Menschen mit geistiger Behinderung: Werden sie ein Alter in Armut und Einsamkeit erleben – oder eines in Respekt und Selbstbestimmung, mitten in der Gesellschaft? Die Antwort sollte für uns alle klar sein.“

Versorgung von Menschen mit besonderen Bedarfen:
Positionspapier der Diakonie Württemberg

Wie steht es um die Versorgungssituation von Menschen mit geistiger Behinderung, herausfordernden Verhaltensweisen und einem intensiven Betreuungsbedarf? Vertreter diakonischer Einrichtungen haben in zweijähriger Arbeit die Nachfrage von Leistungsträgern und Angehörigen mit dem tatsächlichen Angebot verglichen. Die Ergebnisse beschreiben sie in einem Positionspapier der Diakonie Württemberg zur aktuellen Versorgung und zu notwendigen Weiterentwicklungen im Sinne dieser Menschen und ihrer Familien. Eine weitere Konsequenz ist die Einrichtung einer neuen AG „Umgang mit herausforderndem Verhalten“, die sich mit Rahmenbedingungen und Konzepten der Versorgung von Menschen mit herausfordernden Verhaltensweisen befasst.

Fakten zur Eingliederungshilfe

Hintergundinformationen und Fakten zur Eingliederungshilfe bietet die Lebenshilfe auf dieser Webseite an. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit einer geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderung, die länger als sechs Monate anhält und die den Menschen wesentlich in seiner Teilhabe einschränkt.

Die Leistungen werden erbracht, um die Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und behinderten Menschen so die Chance zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu eröffnen.

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Senioren mit Behinderung: mittendrin!
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Diakonie BaWü: Herausforderndes_Verhalten-280
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Das BTHG darf nicht die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung mit höherem und hohem Hilfebedarf zementieren.

Das
„Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit“
muss fallen!
 

Eingliederungshilfe
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Fub, WfbM:
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